Kunstmarkt im Umbruch - wie Künstler und Käufer davon profitieren, und warum Online-Marketing immer wichtiger wird
Der Kunstmarkt bietet enormes Potenzial. Junge Sammler können durch neue Technologien erreicht werden. Aufstrebende Künstler haben die Möglichkeit, unabhängig und selbstbestimmt zu handeln – in Eigenregie oder durch professionelle Unterstützer. Für Käufer wird der Markt langsam transparenter. Ein Gespräch mit Ruth Polleit Riechert.
Du hast Dich in Deiner Doktorarbeit mit dem Thema "Preisbildung und Marketing" intensiv beschäftigt und mittlerweile Dein Kunst-Beratungsunternehmen RPR ART gegründet, das auf die Veränderungen am Kunstmarkt mit unterschiedlichen Ansätzen für Künstler und Käufer eingeht. Welche Veränderungen siehst Du?
Obwohl sich in vielen anderen Märkten die Revolution des Internets bereits deutlich bemerkbar gemacht hat, zeigt sich der Kunstmarkt immer noch sehr unzugänglich. Jedoch ist langsam erkennbar, dass sich für alle Marktparteien – Künstler, Käufer und Händler – neue Herausforderungen und Chancen ergeben. Das Internet, insbesondere Instagram und einige Kunstplattformen, erweisen sich als "Disruption". Sie machen immer größere Teile des Kunstmarkts, der bisher fragmentiert und durch ausgeprägte Informationsasymmetrien gekennzeichnet war, vernetzter und transparenter. Im Grunde kann heute jeder Kunst im Internet anschauen, Informationen einholen, Preisvergleiche anstellen, vor allem im Preissegment unter 10.000 Euro. Im mittleren Preissegment wird es noch länger dauern, bis es komplette Preistransparenz gibt. Am Top-End des Kunstmarkts werden wiederum konkrete Preise kommuniziert: Auktionsrekorde dienen hier wiederum vor allem dem Marketing, das den Käufer (und dessen Unternehmen oder Sammlung) weltweit bekannt machen kann.
Noch profitieren vor allem die Auktionshäuser von der Intransparenz bei Händlern. Dorthin zieht es Käufer, die Kunstwerk zu einem bestimmten Preis ersteigern und nicht auf den Wartelisten von Galerien landen möchten. Jedoch fordern immer mehr Plattformen und Initiativen Preistransparenz ein. Am Ende wird der Markt entscheiden: je klarer die Preisstruktur für den Käufer, desto mehr Umsatz insgesamt.
Wenn wir über den Kunstmarkt sprechen, wie groß ist er, wo befindet er sich?
Schätzungen zur Größe des weltweiten Kunstmarktes sind ungenau. Sie reichen beispielsweise für das Jahr 2016 von 45 bis knapp 57 Milliarden US-Dollar. Das ist ein relativ kleiner Markt. Beispielsweise betrug der Umsatz an der Deutschen Börse allein im Mai 2017 131,5 Milliarden Euro.
50 Prozent des gesamten Marktes werden von ungefähr zehn Künstlern bestritten. Diese Künstler beziehungsweise deren Arbeiten werden häufig als "Blue Chips" bezeichnet und als Anlageobjekte von Sammlern gekauft und von wiederum circa zehn großen Galerien gehandelt. Wahrscheinlich wird es weltweit langfristig zehn große Galerien mit internationalen Dependancen geben, die Museumscharakter haben.
Welche Herausforderungen müssen sich Kunsthändler und Galerien stellen?
Die Kunstkäufer erwarten heute eine große Auswahl an Kunst in immer kürzeren Abständen. Das ist verbunden mit hohen Kosten für Räumlichkeiten, Personal, Messeteilnahmen, etc. Weitere Kosten entstehen durch das Online-Marketing beziehungsweise die Online-Kommunikation, wenn Galerien ihre Künstler international präsentieren wollen – was im Sinne der Galerie und der Künstler unbedingt erforderlich ist. Um dies effizient zu gestalten, ist meist eine einzelne Person erforderlich, die sich ausschließlich um Marketing und Kommunikation kümmert. Oder die Galerie vergibt diese Aufgabe an eine externe Kommunikationsagentur.
Wer kann von diesen Entwicklungen profitieren?
Junge Künstler. Sie haben die Möglichkeit, sich selbst international zu präsentieren und mit ihrer Kunst neue, junge Kunstkäufer anzusprechen. Früher war es üblich, dass Künstler bei einer Galerie exklusiv unter Vertrag standen, über die sämtliche Verkäufe und die komplette Vermarktung des Künstlers stattfanden. Dies konnte früher sogar ein Gehalt beinhalten, das monatlich an die Künstler ausgezahlt wurde.
Im Internet-Zeitalter können die Künstler die Vermarktung in die eigene Hand nehmen oder sich beraten lassen – wie es beispielsweise in der Musik- und Sportlerbranche seit Langem üblich ist. Ein solches neues Modell sollte dem Künstler mehr Freiraum bei der künstlerischen Entwicklung, bei der Auswahl der Ausstellungen und der internationalen Präsenz geben, was sich letztlich auch finanziell auszahlt.
Ich helfe den Künstlern, mit denen ich zusammenarbeite dabei, die passende Strategie für sich zu finden, sodass sie mit interessanten Partnern zusammenarbeiten und trotzdem ihre Unabhängigkeit bewahren können.
Welche Vorteile ergeben sich für Käufer?
Viele meiner früheren Kollegen aus der Finanzindustrie hätten gern Kunst gekauft, haben sich aber aus unterschiedlichen Gründen wie der Preisintransparenz nicht getraut, eine Galerie zu betreten.
Sie informieren sich heute online über Kunst, stellen Preisvergleiche an und profitieren vom Angebot auf Kunstplattformen. Ich helfe ihnen dabei, aus der Fülle des Angebots das richtige zum passenden Preis für sie herauszufinden und verschaffe ihnen den Zugang zu jungen Künstlern, was die meisten sehr schätzen. So ist mein Unternehmen entstanden.
Was empfiehlst Du Deinen Kunden?
Kaufen Sie nur etwas im zeitgenössischen jungen Markt, das Ihnen persönlich gefällt, und das auch nur, wenn der Preis stimmt. Dann haben Sie langfristig etwas, das Ihnen Freude bereitet. Vielleicht werden Sie dann auch noch positiv überrascht, wenn die Arbeit im Wert steigt, aber auch nicht enttäuscht, sollte die Arbeit beim Verkauf nicht den gewünschten Preis bringen.
Wenn Sie hochpreisige Kunst ("Blue Chips") kaufen und sich auf diese Weise eine Wertsteigerung erhoffen, verschaffen Sie sich zuvor genaue Informationen, die die Preishistorie des Künstlers und seiner Werke offenlegen.
Wie schätzt Du Kunst als Investment ein?
Die Antwort und weitere Fragen finden Sie im zweiten Teil des Interviews: Lerne den Künstler kennen - Was Warren Buffet mit Kunst zu tun hat
Dr. Ruth Polleit Riechert, MA, hat viele Jahre in der Kunst- und Finanzbranche gearbeitet (Christie’s, Deutsche Bank, McKinsey & Company, Tang Art Advisory, etc.). 2017 hat sie in Frankfurt ihre eigene Kunstberatung RPR ART mit dem Ziel gegründet, Kunst – insbesondere für Newcomer – zugänglicher zu machen.