Big Orchestra – Die Schirn zeigt Arbeiten von 16 Künstlern, die zwischen Skulptur oder Installation und Musikinstrument angesiedelt sind
Sound ist ein zentraler Bestandteil der zeitgenössischen Kunst. Dennoch stehen Musikinstrumente, die gleichsam Skulpturen sind, für eine noch relativ unbekannte, junge Entwicklung in der Gegenwartskunst. Noch bis zum 8. September präsentiert die Schirn Kunsthalle Frankfurt in der international besetzten Gruppenausstellung “Big Orchestra” künstlerische Arbeiten, denen gleichzeitig die Funktion von Musikinstrumenten innewohnt. Zu sehen sind Werke von 16 Künstlerinnen und Künstlern: Doug Aitken, Nevin Aladağ, Allora & Calzadilla, Carlos Amorales, Tarek Atoui, Cevdet Erek, Guillermo Galindo, Hans van Koolwijk, Constantin Luser, Christian Marclay, Caroline Mesquita, Rie Nakajima, Carsten Nicolai, Pedro Reyes, Naama Tsabar und David Zink Yi.
Das Spiel auf den skulpturalen Instrumenten steht im Mittelpunkt der in ständiger Veränderung begriffenen Ausstellung. Während der Laufzeit wird die Schirn zu einem Konzertsaal, in dem die Arbeiten aktiviert und zum Klingen gebracht werden. Für die Besucherinnen und Besucher wird der Sound der Kunstwerke live erlebbar. Eine mobile Display-Architektur schafft Raum, um den Klang der Instrumente in immer neu zusammengestellten Ensembles von Musikerinnen und Musikern live in der Ausstellung zu erforschen und anschließend in Konzerten zu präsentieren. Auch die Künstlerinnen und Künstler lassen in Performances ihre Arbeiten ertönen. Die eigens für die Ausstellung geschriebene Komposition Music for Exhibitions von Orm Finnendahl vereint alle Werke ausgehend von Samples in einer algorithmisch strukturierten Partitur, die zwischen den Workshops und Konzerten zu hören ist.
Ausgangspunkt des Konzepts ist der erweiterte Kunst- und Musikbegriff der Fluxusbewegung der 1960er-Jahre: Happenings oder Aktionen wurden als “Konzerte” begriffen, da sie ähnlich wie Kompositionen strukturiert waren und unterschiedliche Medien und Materialien miteinander kombinierten. Die Schirn zeigt die Produktion von Sound in ihrer Gesamtheit, das Hörbare und das Sichtbare stehen auf einer Stufe. Die künstlerischen Arbeiten werden als hybride Objekte verstanden. Sie sind visuelle Skulpturen wie auch Musikinstrumente, ihre Aktivierung körperliche Performance. Jedes dieser Musikinstrumente schließt den Prozess der Aufführung durch Künstler, Performer oder Musiker mit ein, diese wiederum kann die Produktion und Komposition von Musik oder die Rezeption beeinflussen. In der Ausstellung spielen diverse Aspekte von Sound zusammen wie das Musikmachen als kommunikativer, sozialer Austausch sowie dessen emanzipatorisches Potenzial, die Verhandlung von kultureller Identität, geschlechtsnormativer Rollen oder gesellschaftspolitischer Konflikte, das Experimentieren mit der performativen Seite des Musizierens oder die Hinterfragung der traditionellen Trennung von Instrument, Partitur und Aufführung.
Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt: “Mit „Big Orchestra“ fügt die Schirn Kunsthalle Frankfurt vorangegangenen Sound-Ausstellungen einen zentralen Aspekt hinzu und rückt die Produktion von Sound in ihrer Gesamtheit ins Zentrum. Die ständig in Veränderung begriffene Schau entsteht als Prozess: In die visuelle Seite der künstlerischen Arbeiten weben sich die akustischen und performativen Seiten der Skulpturen, die von Musikerinnen und Musikern während der Laufzeit entwickelt und live für unsere Besucherinnen und Besucher erlebbar werden.”
Matthias Ulrich, Kurator der Ausstellung, erläutert: „Die Verschiebung vom Visuellen zum Akustischen in der Gegenwartskunst ist weniger peripher als oftmals angenommen – vielmehr ist eine Ausstellung ohne Sound die Ausnahme. Gleichzeitig führt diese Veränderung in der Rezeption selten über eine Fußnote hinaus. Und das, obwohl der Sound die Betrachter nicht nur lenkt, sondern die Wahrnehmung von Kunstwerken grundlegend bestimmt. Hier setzt die Ausstellung “Big Orchestra” an und widmet dem Sound und seiner immanenten Qualität der absoluten Gegenwart, des dauerhaften Werdens eine längst überfällige, ganzheitliche Ausstellung.“
Foto (Preview): Ausstellungsansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2019, Foto: Marc Krause
Quelle: Pressemitteilung, Schirn Kunsthalle Frankfurt