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Levente Szücs bringt zusammen, was nicht zusammengehört – Ein Gespräch mit Christoph Blank

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Levente Szücs wurde 1989 in Miskolc, Ungarn geboren. Bis 2019 studierte er Freie Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf und ist Meisterschüler von Herbert Brandl. Levente Szücs lebt und arbeitet in Düsseldorf.

Levente, wann hast Du angefangen als Künstler zu arbeiten und warum? Wann hast Du Dich das erste Mal mit Kunst beschäftigt?

Ich habe vor circa zwölf Jahren angefangen zu malen. Habe aber seit meiner Kindheit schon immer gezeichnet. Es war mir schon immer klar, dass ich später einen kreativen Beruf ausüben muss. Mit der zeitgenössischen Kunst hatte meine Familie und unser Bekanntenkreis aber nie etwas zu tun. Wir haben zwar Museen besucht und uns Ausstellungen der “Alten Meister” angeschaut – jedoch nie Ausstellungen der “Zeitgenossen”. In der Stadt, in der ich in Ungarn aufgewachsen bin, gab es eigentlich auch keine Kunstszene. So kam ich damit recht spät in Berührung. Damals kam mir allerdings nie der Gedanke, dass ich einmal Künstler werde. Im Nachhinein hört sich das so banal an. Ich hatte aber als Jugendlicher immer den Gedanken, wenn man etwas Kreatives machen möchte, dann wird man entweder Designer oder Tätowierer. Da ich mich nie in einem Büro gesehen habe, habe ich mich schon früh für das Künstlerdasein entschieden. Das Tätowieren war damals meine Leidenschaft. Dann kam die Malerei dazwischen. Ich wollte nämlich auf einmal Malerei studieren, mit dem Hintergedanken, dass ich das Erlernte in meine Tattoos übertrage. Die Malerei hat mich aber sofort so sehr fasziniert und nicht losgelassen, dass ich nach einem Monat malen, mein ganzes Tattoo-Equiptment verkauft und mir von dem Geld Ölfarben und Pinsel gekauft habe. Von dem Moment an war es für mich klar, dass das mein Weg ist. Seitdem dreht sich alles nur noch um die Kunst.

Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?

In den ersten Jahren habe ich überwiegend naturalistisch gemalt. Ganz altmeisterlich, mit vielen transparenten Lasurschichten. Die Bilder haben immer ewig gedauert bis sie fertig wurden und ich mochte die sehr. Ich hatte aber das Gefühl, dass etwas fehlt. Dann hat mir einer meiner Dozenten an der Kunstakademie geraten, auch andere Stilrichtungen auszuprobieren. Den Rat fand ich gut und fing an, das komplette Gegenteil zu machen und malte die ersten abstrakten Bilder. Diese Arbeiten sind auch viel schneller fertig geworden, aber irgendwas hat mir immer noch gefehlt. Durch einen Zufall lag eine ausgeschnittene Bergsilhuette als Foto auf einem abstraktem Aquarell auf meinem Schreibtisch und so kam ich auf die Idee, die beiden Welten miteinander zu verbinden und aus den Gegensätzen eine Einheit zu schaffen. Das war 2013 und seitdem ist das der Gedanke, um den sich alle meine Bilder drehen: Wie kann ich eine Einheit aus Dingen schaffen, die eigentlich nicht zusammengehören?

Wer oder was hat Dich beeinflusst? Was inspiriert Dich?

Ich denke, dass man permanent durch den Alltag, durch die Dinge, die man sieht, hört oder liest unterbewusst beeinflusst wird. Deswegen versuche ich zum Beispiel auch, wenig in der Stadt zu sein und bin stattdessen viel mehr in der Natur. Die Natur und mein Leben sind meine Inspirationen.

Inwieweit haben die Akademie und Dein Professor, Herbert Brandl, Dich und Deine Arbeiten geprägt?

An der Akademie wird den Studierenden oft geraten mehrere Klassen zu besuchen, damit man verschiedene Professoren und Sichtweisen kennenlernt. Ich war allerdings nur in einer Klasse, bei Prof. Herbert Brandl. Er hat uns jede Freiheit gegeben. Man war zwar oft alleine, aber nur so konnte man sich auf das Leben eines Künstlers vorbereiten. Keiner wird einem nämlich sagen, wann du aufstehen und zur Arbeit gehen musst, was du zu tun hast, welche Aufgaben du erledigen musst, wie man seinen Tag plant und durchführt. Man muss eine gewisse Selbstdisziplin lernen, sich selbst motivieren können, und lernen wie man seine eigenen Ideen und Gedanken umsetzt. Daher wollte ich die Klasse oder den Professor nie wechseln, da ich immer das Gefühl hatte, dort an dem richtigen Platz zu sein. Dort hatten wir nämlich die Freiheit und die Zeit machen zu können, was und wann wir wollten und unser Professor hat uns dabei immer unterstützt. Er hat uns immer sehr gute Ratschläge gegeben, hat aber immer darauf geachtet, dass er unsere Arbeit nicht zu stark beeinflusst. Dadurch konnte sich jeder Student frei entfalten und entwickeln. Für mich war eigentlich diese Freiheit und diese Selbstständigkeit das Wichtigste, was ich während des Studiums gelernt habe und natürlich die Freunde, die man dort kennengelernt hat.

Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken?

In meiner Arbeit versuche ich aus Gegensätzen eine Einheit zu bilden. Das ist immer das Hauptthema. Die Bilder drehen sich nicht unbedingt nur um die Landschaft, oder nur um die Abstraktion. Diese Suche nach dem Kompromiss oder nach einem Mittelweg beschäftigt mich andauernd in meinem Alltag und in meinem Leben. Wenn man das so sagen kann, dann fängt es schon bei der Sprache an. Ich bin nämlich in Ungarn geboren, somit ist meine Muttersprache eigentlich Ungarisch. Ich lebe aber seit 17 Jahren in Deutschland, und auch wenn ich die deutsche Sprache mittlerweile ziemlich gut beherrsche, werde ich damit tagtäglich konfrontiert, dass ich bestimmte Gedanken oder Gefühle nicht so ausdrücken kann. So greife ich immer wieder zu Synonymen, verwende Umschreibungen, die zwar zum selben Ziel und zur selben Aussage führen, der Weg dahin ist aber ein anderer. Man kann aber auch an die verschiedenen Kulturen, Sitten und Bräuche, an die unterschiedlichen Charaktere der Menschen, oder auch an Humor denken - es ist alles anders. So muss man dann immer zwischen den beiden Welten balancieren, damit man seine Wurzeln nicht aufgibt, sich aber trotzdem in dem Land anpasst, in dem man lebt. So bin ich ständig auf der Suche nach einem Kompromiss, damit ich mich dadurch eher ergänze, bevor ich mich aufgeben würde. Genau so ist es bei meinen Bildern: zwei unterschiedliche Welten werden miteinander verwoben, damit man keine Grenze zwischen den Unterschieden erkennt. Es gibt nicht einen Gewinner und einen Verlierer in dem Streit – beide Parteien geben etwas ab, damit sie gemeinsam als Einheit funktionieren und dadurch stärker werden.

Welchen Regeln folgt Dein Stil?

Es gibt keine Regeln.

Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?

Es gibt keine Techniken oder Materialien, die ich bevorzuge. Wenn ich eine Idee habe, dann experimentiere ich immer eine Zeit und bin auf der Suche nach der geeigneten Technik oder nach dem perfekten Material für die konkrete Idee. Es geht dann schließlich immer um das Ziel, dass man seine Gedanken so gut wie möglich ausdrücken kann. Und für jeden Gedanken, jede Idee gibt es bessere und schlechtere Techniken und Materialen. Ganz am Anfang habe ich mit Öl gemalt, mit Lasuren und vielen durchsichtigen Schichten. Dann habe ich zur Gouache, Tusche und Acrylfarben gewechselt. Die Fotografie hat immer mehr eine Rolle in meiner Arbeit gespielt, bis ich dann angefangen habe, diese als Teil meiner Bilder zu verwenden. In letzter Zeit experimentiere ich aber auch an meinen skulpturalen Ideen. Als Künstler ist man ständig auf der Suche nach etwas Neuem; daher gibt es nicht nur eine Technik oder ein Material.

Gibt es ein Werk, in das Du besonders viel Energie investiert hast?

Ja. Ursprünglich wollte ich mein Studium ein Jahr früher beenden und habe für meinen geplanten Abschluss 2018 ein 3 m hohes und 7 m breites Bild gemalt. Insgesamt habe ich 6 Monate an dem Bild gearbeitet und da ich früher fertig wurde, wollte ich die Arbeit auseinander bauen, damit ich mehr Platz im Atelier habe. Der Abbau ist aber nicht gut gelungen. Das Bild ist umgekippt und durch Gewicht und Größe an mehreren Stellen gerissen. Ich habe versucht, es zu restaurieren. Es war aber leider nicht mehr zu retten. So musste auch der Abschluss um einen Jahr verschoben werden. Aber durch dieses Ereignis kam ich auf die Idee meiner aktuellen Arbeiten.

 
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Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?

Ich bringe zusammen, was nicht zusammengehört.

Sammelst Du Kunst?

Ich sammle sehr gerne Kunst, aber auch Gegenstände, die mich in irgendeiner Weise interessieren oder faszinieren. Ich beobachte die dann, untersuche sie bis zum letzten Detail und wenn ich damit fertig bin, dann kommen die in eine Vitrine. Sie sind dann wie gute Bücher, die man manchmal wieder in die Hände nimmt und noch einmal liest. Ich tausche aber auch gerne mit Künstlerfreunden, hauptsächlich weil ich sie persönlich sehr schätze und ihre Arbeiten bewundere.

Welches Museum und welche Galerie beeindruckt Dich?

Ich könnte jetzt kein konkretes Museum oder keine konkrete Galerie nennen. Für mich kommt es immer auf den Künstler oder auf die Ausstellung an. Wenn ich in Düsseldorf bin, dann bin ich oft in der Kunstsammlung, im Kunstpalast, oder bei der Sammlung Philara. In Wien gehe ich jedes Mal ins Leopold Museum, besuche das Mumok, das Belvedere 21, die Albertina, das Kunsthistorische, aber auch sehr gerne das Naturhistorische Museum. In Amsterdam mag ich das Stedelijk Museum. Es kommt immer ganz darauf an, was ausgestellt wird und wo man sich gerade befindet.

Ein Künstler, der Dich beeindruckt?

Schwierige Frage. Ich bewundere wirklich viele Künstler und könnte mir auf die Schnelle nicht einen Einzigen aussuchen. Es sind eine Reihe von Künstlern – alte Meister und Zeitgenossen – die mich immer wieder durch ihre Werke beeindrucken. Am interessantesten finde ich das 20. Jahrhundert mit zahlreichen Künstlern.

Welche Ausstellung hast Du zuletzt besucht? Welche Ausstellung muss man unbedingt sehen?

Die letzte Ausstellung, die ich besucht habe, war die Hundertwasser-Schiele Ausstellung im Leopold Museum in Wien – eine Ausstellung, die man unbedingt sehen muss! Davor war ich im Naturhistorischen Museum – auch ein unglaubliches Museum und immer einen Besuch wert! Das Highlight des Jahres war für mich jedoch in Amsterdam im Stedelijk Museum – dort bin ich auf ein holländisches Künstlerduo, Studio Drift gestoßen, das die zeitgenössische Kunst mit der Technik verbindet – sehr spannende Arbeiten!

Eine typische Angewohnheit von Dir?

Ich fahre jeden Tag mit meinem Hund in den Wald.

Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?

Ich wache zwischen 8 und 9 Uhr auf und fahre mit meinem Hund in einen Wald um zu wandern, zu fotografieren und mich auf die Arbeit mental vorzubereiten. Esse früh Mittag und fahre danach ins Atelier. Ich mache zum Aufwärmen gerne einige schnelle Farbstudien auf Papier und arbeite an meinen Ideen. Jeder Atelierbesuch und jeder Tag ist unterschiedlich. Ich bleibe unterschiedlich lang – je nachdem, wie man im Flow ist. Manchmal vergesse ich sogar die Zeit. Dann gelingen meistens die besten Werke. Nach dem Malen fahre ich dann wieder mit dem Hund in den Wald, um zu entspannen und um den Tag abzuschließen. Die Kamera habe ich aber immer dabei und mache viele Fotos.

 
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Wie sind Deine bisherigen Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern bzw. Akademie-Absolventen?

Da ich erst seit paar Jahren dabei bin, weiß ich nicht, ob ich bereits genug Erfahrung gesammelt habe, um anderen einen Rat geben zu können. Ich hatte das Glück, während des Studiums an einigen Ausstellungen teilnehmen und dadurch Kontakte mit Kuratoren, Sammler, Galeristen und Kunstberatern machen zu können. Bis jetzt habe ich fast ausschließlich positive Erfahrungen gemacht und mit vielen Leuten, mit denen ich in den letzten Jahren zusammenarbeiten konnte, ist auch eine Freundschaft entstanden. Die Erstkontakte kamen oft durch den jährlichen Rundgang zustande. Was ich jüngeren Absolventen rate, ist, dass sich jeder eine Homepage erstellen sollte, damit sich Interessenten über das Werk, die Person und über aktuelle Ausstellungen informieren können.

Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt?

Zur Digitalisierung des Kunstmarkts kann ich ehrlich gesagt wenig sagen. Dahingegen finde ich die Digitalisierung in der Kunst ein interessantes und wichtiges Thema. Heutzutage findet man in fast jedem Künstleratelier einen Computer, Drucker und Internet, da man die Digitalisierung als Ergänzung oder als Hilfsmittel bei der Arbeit nutzt. Vor einigen Jahren habe ich mit einem Freund zusammen eine Datenbank für Künstler entwickelt, weil ich damals keine passende App zur Erstellung eines eigenen Archivs gefunden habe. Ich wollte einfach eine unkomplizierte und professionelle Datenbank, die es so in der Form nicht gab. Es gab natürlich Software für Kunstdatenbanken, diese waren meiner Meinung nach aber eher für Galeristen, Sammler und Museen gedacht. Für mich viel zu kompliziert und zu teuer. So haben wir in unserer Freizeit eine eigene Datenbank entwickelt. Wir arbeiten immer noch daran, dass diese App möglichst viele Künstler erreicht und deren Arbeit erleichtert. Hierfür suchen wir jedoch noch Partner. In der Zwischenzeit nutzen wir die Plattform mit einer leichten Änderung für die Durchführung und Organisation von Kunststipendien und Ausschreibungen. Von der Bewerbungsphase bis hin zur Jurysitzung wickelt man alles ganz einfach online mit unserer Datenbank ab. Das spart den Bewerbern, der Jury und dem Veranstalter Arbeit und Zeit. Die Digitalisierung in der Kunst ist also ein recht spannendes Thema, was mich auch in meinem Alltag beschäftigt.

Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?

Es gibt eine Reihe spannender Projekte und Ideen, an denen ich momentan arbeite. Wie schon erwähnt, arbeite ich zur Zeit an Skulpturen aus Holz. Ich finde das Thema gerade sehr spannend. Vor allem, weil der Grundgedanke derselbe ist, wie bei meinen Bildern. Nur die Sprache ist anders. Ansonsten lief noch bis Mitte März die Ausstellung der Absolventen der Kunstakademie “In order of appearance” im K21. Für dieses Jahr waren noch zwei Einzelausstellungen in Wien und Köln geplant. Diese werden aber wegen der aktuellen Corona-Situation sehr wahrscheinlich später stattfinden. Es gibt auch noch ein Projekt mit einem Verlag. Über die Details kann ich jetzt aber noch nicht viel verraten. Auf meiner Homepage findet man aber immer aktuelle Informationen zu Ausstellungen und Projekten.

www.levente.eu

Text und Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach

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