Der Wurzler, der sich in Hörbüchern verliert – Ein Gespräch mit Johanna Flammer
Johanna Flammer, Jahrgang 1978, lebt und arbeitet in Düsseldorf. Von 2006 bis 2010 hat sie an der Kunstakademie Düsseldorf in der Klasse Martin Gostner studiert. Seit 2010 ist sie Assistentin von Imi Knoebel. Sie ist Dozentin der Kunstakademie Allgäu und hat einen Lehrauftrag für Malerei an der Hochschule Düsseldorf. Sie ist Gewinnerin des Blooom-Award der ART FAIR Cologne (2012) und erhielt im Jahr 2020 den Phönix Kunstpreis. Wir haben Johanna Flammer in ihrem Atelier in Düsseldorf besucht.
Wann hast Du Dich das erste Mal mit Kunst beschäftigt?
Gemalt habe ich eigentlich schon immer gerne. Ich hatte das Glück, dass meine Kunstlehrer mich unterstützt und ermutigt haben mehr aus meinem Talent zu machen. So fand ich schnell Gefallen am künstlerischen Arbeiten und nutzte unseren Keller, um meine ersten großen Bilder zu malen. Ich wusste im Alter von 15 Jahren schon, dass ich meinen Weg gefunden habe.
Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?
Irgendwie verlief mein Weg nie gerade. Ich bekam viele Absagen an Kunsthochschulen und musste dann erst einmal auf einer privaten Akademie studieren, wofür ich jetzt im Nachhinein sehr dankbar bin. Dort konnte ich Vieles entspannt ausprobieren, was so an der Kunstakademie nicht möglich gewesen wäre. Durch all meine Lehrer und Mitstudenten, die mir wertvolle Tipps und Inspirationen mitgegeben haben, bin ich dann weiter meinen Weg gegangen. Es war nicht immer leicht, aber konsequentes Arbeiten, Neugierde und Experimentieren haben dann am Ende geholfen meine eigene Sprache zu finden.
Was inspiriert Dich?
Alles was ich sehe beeinflusst mich ebenso, wie Personen denen ich begegne. Wer mich gut kennt, kann das in meinen Arbeiten lesen.
Inwieweit hat das Studium an der Kunstakademie Dich und Deine Arbeiten geprägt?
Das Beste was meine Lehrer tun konnten, war, mich einfach machen zu lassen. An der Akademie habe ich erst gemerkt, wie steinig der Weg eines Künstlers werden kann. Aber das hat mich noch mehr angespornt.
Was möchtest Du künstlerisch ausdrücken?
Ich habe meine Sprache gefunden, um mich mitzuteilen. Meine Arbeiten lassen Emotionen und Eindrücke sichtbar werden, die ich nicht in Worte fassen kann.
Welchen Regeln folgt Dein Stil?
Es gibt einerseits eine klare, kontrollierte Abfolge in der Entstehung einer Arbeit. Malerei, Collage, Zeichnung werden nacheinander zusammengefügt und ergeben am Ende eine Einheit. Andererseits ist auch der temporäre Kontrollverlust wichtig, um dem Zufall Raum zu geben.
Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?
Ich bin ein großer Fan vom Materialmix. Da gibt es keine Grenzen. Allerdings hat sich in meiner Malerei Papier und Stift bewährt.
Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?
Ich bin vor einiger Zeit auf den Begriff “Wurzler” gestolpert. Das Wort finde ich genau richtig, um meine Bilder zu beschreiben.
Sammelst Du Kunst?
Ich besitze einige Bilder von Künstlerfreunden, da ich es toll finde, einen Teil ihrer Ideen zu besitzen. Mein erstes gekauftes Bild ist von Juliane Hundertmark, das ich auf einer Kunstmesse entdeckt habe. Hierauf arbeitet sie auch mit Collage und hat der darauf abgebildeten Familie dicke rote Lippen verpasst. Das Bild heißt “auf dem Land” und erinnert mich an meine Heimat, wo viel gelacht wird.
Welche Galerie beeindruckt Dich?
Mich beeindruckt nicht direkt eine Galerie. Es sind vielmehr die Dimensionen, die große Galerien angenommen haben. Ich hoffe, es geht da noch um die Kunst.
Ein Künstler, den Du bewunderst?
Es gibt nicht viele Künstler, die mich beeindrucken. Aber Bewunderung geht auf jeden Fall an die Künstler, die nach vielen Jahren künstlerischen Schaffens auf ein großes und erfolgreiches Lebenswerk zurückblicken können. Da ich seit Jahren für Imi Knoebel arbeite, habe ich ein gutes Beispiel zur Hand, da ich auch noch bei seiner Arbeit helfen und zugucken darf.
Welche Ausstellung hast Du zuletzt besucht?
Zuletzt war ich beim DC Open Wochenende in Düsseldorf und habe mir verschiedene Ausstellungen in den Galerien angesehen. Zu empfehlen war auch die Ausstellung “Kausalkonsequenz” von Alicja Kwade in der Langen Foundation.
Eine typische Angewohnheit von Dir?
Ich höre gerne Hörbücher bei der Arbeit.
Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?
Bei mir sieht jeder Tag anders aus. Im Idealfall gehe ich um 09:00 Uhr eine Runde um den Unterbacher See, danach frühstücke ich und gegen 11:00 Uhr bin ich dann im Atelier. Um in die Arbeit zu kommen entstehen erst einmal ein paar Skizzen, bevor es dann an die große Leinwand geht. Wenn ich ein bisschen Abstand zum Bild brauche, gehe ich an meine Töpferscheibe und drehe ein paar Sachen, z. B. Tassen oder Schalen. Danach bin ich wieder zentriert. Gegen 19:00 Uhr mache ich Feierabend.
Wie sind Deine Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern?
Jeder Künstler hat seinen eigenen, individuellen Weg auf dem Kunstmarkt. Da kann ich wenig Ratschläge geben. Es gibt gute und schlechte Zeiten. Wer Glück hat, gerät an Galerien, die ihre Arbeit verstehen. Wenn nicht, einfach stur weitermachen. Auch ich habe gemerkt, wie unberechenbar der Kunstmarkt ist, und bin froh, dass ich mir mehrere Standbeine aufgebaut habe, die solche Zeiten auffangen.
Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt?
Die Digitalisierung macht den Kunstmarkt schneller, konsumierbarer und unberechenbarer. Ich weiß nicht welche Möglichkeiten sich noch in der digitalen Kunst ergeben, da dies für mich ein unbekanntes Feld ist. Aber demnächst werde ich genau diese Fragen in einem Projekt mit meinen Studenten erarbeiten, und dann könnt ihr euch gerne die Ergebnisse anschauen.
Inwiefern verändert Corona die Kunst, die Künstler und den Kunstmarkt?
In meinem Umfeld gab es die unterschiedlichsten Reaktionen auf die Corona-Veränderung. Ich denke, dass der Stillstand im Frühling des Jahres 2020 eine gute Zeit war, um zur Ruhe zu kommen und zu reflektieren. Auch ist es spannend, nach Alternativen im Kunstmarkt zu suchen und den Markt neu zu gestalten. Mir ist bewusst, dass viele Künstler und Galerien verunsichert sind und nicht wissen wie es finanziell weitergeht. Dennoch sehe ich auch die Möglichkeit zu einer positiven Veränderung. Ich denke, dass wir in der nächsten Zeit eine ehrlichere und emotionalere Kunst aus den Ateliers bekommen werden.
Was zeichnet die Kunstszene in Düsseldorf und Köln für Dich aus?
Ich mag die Dichte an kulturellen Möglichkeiten im Rheinland, die trotz der Menge noch überschaubar ist. Die DC Open bilden hier den Höhepunkt im Jahr, wo viele junge Künstler entdeckt werden können. Die Kunstakademie ist hierfür natürlich auch eine wichtige Adresse.
An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du aktuell?
Zur Zeit läuft meine Ausstellung mit Paul Schwer in der Neuen Galerie Gladbeck. Hierfür habe ich vor kurzem mein bisher größtes Bild fertig gestellt – ein Kraftakt. Parallel dazu habe ich meine zweite Monografie “Heimatblau” veröffentlicht. Neben meiner täglichen Arbeit im Atelier, konzipiere ich zur Zeit ein Projekt mit Studenten von mir, das sich mit der Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt beschäftigt. Es gibt also genug zu tun.
Interview und Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach