Die Utopie als Faszinosum – Florian Fausch im Gespräch mit Jasmina Spac
Das Aufblitzen einer Reflexion von Neonlicht in einer Wasserpfütze. Sonstige kleine Geschehnisse im Alltag, die massenweise zeitgleich auftreten. Aber nur dem begegnen, der mit offenen Augen durch die Welt geht. So wie bei Florian Fausch. Der 1981 in Zürich geborene Künstler ist in der Tat jemand, der mit den für viele Künstler so wichtigen „offenen Augen“ durch die Welt geht. Und dem dieser Blick für die kleinen Momente des Alltags eine Reihe von Inspirationen bescheren.
Der Weg, freischaffender Künstler zu werden, erschien hier bei Fausch, wie vorgezeichnet, ihm praktisch in die Wiege gelegt; denn bereits sein Großvater war Künstler: „Ich hatte schon sehr früh Kontakt zur Kunst. Mein Grossvater, Jörg Fausch, war Bildhauer und hat Ende der 40er Jahre in Paris Kunst studiert. Ich war seit frühster Kindheit mit Gemälden und Skulpturen umgeben. Das Atelier meines Grossvaters, den ich oft dort besuchte, habe ich noch ganz klar vor Augen. Es befand sich in einer Scheune unweit von unserem Zuhause in Zürich. Neben riesigen aufgehängten Eisenplastiken, standen dicht beieinander Skulpturen in unterschiedlichsten Grössen und Materialien. Die Atmosphäre war sehr dicht und lebendig. Es hatte mich stark beeindruckt.“
Doch wie beschreibt Florian Fausch selbst seine künstlerische Intention? Künstler wird man aus einem inneren Antrieb heraus. Aus dem inneren Drang, das, was einen umtreibt, was einen beeinflusst, künstlerisch umzusetzen. Sei es in Skulpturen oder auf Leinwand oder sonst dergleichen.
Als Künstler aber, der, so scheint es, in einem stetigen Wandel ist, sind nicht nur der innere Dialog mit sich selbst, sondern auch wichtige Begegnungen wichtig für die Prägung einer eigenen Signatur.
Bei Fausch waren es die regen Diskussionen mit Professor Siegfried Anzinger, dessen Meisterschüler er ist, die für ihn in seiner Entwicklung als Künstler, im wahrsten Sinne des Wortes „bildend" waren: „Er hat mir Wege gezeigt, mein Schaffen stetig zu reflektieren und zu hinterfragen. Er zeigte immer wieder künstlerische Anknüpfungspunkte aus der Gegenwartskunst und der Kunstgeschichte und kritisierte mit offenem Visier.“
Doch wie beschreibt Florian Fausch nun selbst seine eigene künstlerische Intention?„Das Sichtbare, Räume. Strukturen, das Urbane, das Digitale, kurzum alles, was uns im Alltag umgibt und uns begleitet in abstrakte Malerei abzubilden. Ich füge neue Bildmotive zusammen, splitte sie in Ihre Einzelteile auseinander und verwebe sie erneut miteinander. Nicht ein einzelner Eindruck schwebt mir vor, sondern eine Überlagerung und Verschmelzung unterschiedlicher Betrachtungen von teils unvereinbar Erscheinendem zu einem neuen Ganzen.“
Zunächst vom Impressionismus beeinflusst, wußte Fausch seine Intention, Alltags- oder Naturgeschehnisse künstlerisch einzufangen, gekonnt weiterzuentwickeln.
„(...) mein Interesse galt dem, die Farben und Formen die wir in der Natur wahrnehmen, auf der Leinwand so abzubilden, wie sie die Netzhaut aufnimmt. Besonders interessierte mich damals, die späte Schaffensphase von Ernst Ludwig Kirchner, wie er es beispielsweise geschafft hat, das Leuchten des von der Sonne angestrahlten Schnees zu malen. Dieses Einfangen von Licht, was bei Ihm besonders deutlich zu sehen war, war mein Thema und das hat sich bei mir, wenn auch in veränderter Form, bis in die heutige Zeit durchgezogen.“
Diese „veränderte Form“ zeigt sich in Fauschs Kunstwerken in abstrakt anmutenden künstlerischen Kreationen; Das Oeuvre hat hier wahrlich sowohl abstrakte, wie auch figurative Komponenten, die ihren Betrachter zweifelsohne dazu einladen, sie mit offenen Augen zu betrachten. Wie vormals angedeutet, nimmt Fausch die Impressionen, die er aus der allgegenwärtig einprasselnden Flut an Bildern, Geschehnissen etc... auf und wandelt sie, ganz gleich eines Katalysators, in Motive für seine Kunst um. Die Impressionen werden zu Abstraktion. Dabei lässt sich Florian Fausch oftmals vom Zufall, der in seinem Schaffensprozess Raum nimmt, treiben. Und lässt sich so „intuitiv auf neue malerische Gegebenheiten ein“.
Das, was daraus resultiert, ist vielfältig. Manche seiner Werke sind abstrakte Farbexplosionen, die an collagierte Farbwelten erinnern, an bunte, architektonische Gebilde erinnern. Oder sind es schon autonom agierende Architekturlandschaften, die den Betrachter auf eine Reise in ihre Rätselhaftigkeit mitnehmen?
Wähnt man sich, der Betrachter, schon fast sicher, das Bildmotiv dechiffriert zu haben, ist man im nächsten Moment angesichts seiner eigenen Überraschung konsterniert; hat man das Abstrakte durchdrungen? Weiß man, was es ist?
Dieser Herausforderung, die von Fauschs Bildern ausgeht, sollte man als Rezipient bewusst begegnen und keinesfalls aus dem Wege gehen.
Die Vielfältigkeit der Abstraktion, die Fausch mit seinen Bildern schafft, ist ebenso faszinierend wie überraschend. Gravitation? Mit diesem Begriff bricht Fausch in seinen Bilderwelten. Der Vordergrund wird hintergründig und vice versa. Das Oben tanzt mit dem Unten, das Rechts duelliert sich mit dem Links. Verschiedene Elemente, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, gehen in Fauschs Werk eine zunächst irritierende Liaison ein, die aber auf der Leinwand plötzlich sinnhaftig erscheint: Bergketten treffen auf Zimmerpflanzen, Interieurs treffen auf Glasfronten. Es ist eine von Menschen verlassende Welt, die einzig in ihrer Singularität fesselnd ist.
Die Utopie als Faszinosum. Diese Impression wird verstärkt durch die Art und Weise, wie Fausch malt, welche Techniken er verwendet: "Öl auf Leinwand ist für mich das Medium, was ich am meisten bevorzuge. Die Spannweite, wie man die Farbe auftragen kann – sei es stark verdünnt wie Aquarell oder pastos mit dem Malermesser – ist enorm. Ich forciere bewusst die Kontraste unterschiedlicher Malweisen in meinen Bildern. Die weisse Grundierung der Leinwand ist ein wichtiger Bestandteil im Bildaufbau, sie dient dem Licht. Je dünner eine Farbe aufgetragen ist, desto stärker leuchtet Sie von Innen heraus und gibt dem Gemälde ein Pulsieren.“
Dieses Pulsieren ist dem Gemälde ohne Frage zutrefflich.
Gerade wenn es die utopischen Bilderwelten sind, die eine Ausflucht in die Realität wagen. Die architektonischen Strukturen, die vormals angesprochen wurden, gewinnen eine neue Darstellungsebene durch die kontrastierend leuchtenden Farben, die der „fiktional gewordenen Realität“ Fauschs Bilder den erforderlichen Raum geben.
Ferner gewinnt die Leinwand bzw. das Bildmotiv eine eigene Dynamik durch die Art und Weise, in welcher Fausch die Ölfarbe auf die Leinwand aufträgt. Der „Impact“, der durch die leuchtende Farbpalette erwirkt wird, ist ebenso begleitet durch die Ölfarbe, die in dünnen, transparenten Lagen übereinander aufgetragen wird. Diese Technik ermöglicht es dem Betrachter, die einzelnen Schichten des Werkes optisch förmlich zu durchdringen und den Malgrund zu erahnen, sodass das Werk schier „fassbar“ wird, mit all ihren illusionistischen Elementen.
Fausch, der von mehreren Galerien vertreten ist und bereits schon mehrere Auszeichnungen sein Eigen nennen darf, zeigte jüngst in seiner neuen Ausstellung „it ́s a Match“ in der janinebeangallery eine Reihe von abstrakten Gemälden, die angesichts der Farbexplosionen, die von ihnen ausgingen, den Betrachter in neue Ebenen einluden. Es sind Farbexplosionen, die nur mit Fauschs eigener, künstlerischen Signatur genügend Raum gewinnen. Bildkompositionen, die ihr eigenes Regelwerk haben, Welten mit einem eigenen künstlerischen Code.
Interview und Text: Jasmina Spac
Fotos: Gregor Guski (1, 2, 3, 4, 5, 7, 9), Florian Fausch (6, 8, 10)