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Der Maler – Jan Holthoff im Gespräch mit Christoph Blank

Jan Holthoff, Atelier, Düsseldorf, 2022

 

Wann hast Du angefangen als Künstler zu arbeiten und warum?

Den Beginn meiner künstlerischen Arbeit an einem bestimmten Augenblick, Ereignis, einem exponierbaren Punkt in meinem Leben festzumachen, ist rückblickend sehr schwer. Ein Prozess hat immer seine Vorbedingungen, beginnt irgendwann, entfaltet und vertieft sich. Die ausgeprägte Angewohnheit, mit Zeichenstift oder Farbe auf der Grundlage von Beobachtung einen Weltzugang herzustellen und die Faszination, über künstlerische Materialien Wirklichkeit zu erzeugen hatte ich schon sehr früh. Schon meine Jugend war durch die Begegnung mit Kunst geprägt, ich kann aber sagen, dass meine Studienjahre an der Akademie in Düsseldorf dabei wohl den wirklichen Anfang der eigenen künstlerischen Arbeit bedeutet haben.

Wie war Dein Weg zu dem, was Du heute künstlerisch machst?

Ich glaube, die Malerei bleibt mir zeitlebens Aufgabe, immer unabgeschlossene und kurze Standortbestimmung, ein Verweilen an einem kurzen Punkt, der sich fortwährend verschiebt. Es gibt dabei aber ein zentrales Selbstverständnis, das sich als Konstante durch meine Malerei zieht, nämlich der Glaube daran, Malerei als ein strategisches Handeln zu begreifen, das ich fortsetze und in dem ich Wirklichkeit und Malerei in meiner Zeit in einer Bilderfahrung zu verhandeln versuche und immer neu erprobe. Wirklichkeit und Bewusstsein in ihrem komplexen ineinandergeflochtenen Zusammenspiel aus Wahrnehmen, Erinnern, Erzeugen und Ausdrücken sind ja Grundlage der gegenstandslosen Malerei, der ich mich zuwende.

Wer oder was beeinflusst Dich? Was inspiriert Dich?

Es gibt natürlich Künstlerinnen und Künstler, die innerhalb des eigenen mentalen Raumes aufblitzen und dann wieder gehen, einen kurz berühren oder entzünden, Weggefährten auf Zeit sind, und es gibt Heroen, die bleiben wie etwa Helen Frankenthaler, auch wenn Sie nicht direkt zu dem mentalen Bezugsrahmen meiner Arbeit gehört. Ich pflege einen regen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen bei Atelierbesuchen, und gelegentlich verspüre ich auch mal Lust, bestimmte Positionen in einem Raum zusammenzubringen, zu installieren, um einer Frage, einer These, die ich im Sinn trage, nachzugehen; dann kuratiere ich auch mal eine Ausstellung. Solche Projekte sind immer ein kurzes Verweilen in einem erweiterten Dialog, der meine Arbeit im Atelier ausdehnt.

Inwieweit haben die Akademie und Deine Professoren Dich und Deine Arbeiten geprägt?

Die Akademie ist ein herausfordernder Ort, jeder muss dort seine eigene Biographie schreiben und seinen ganz eigenen Weg finden. Auch wenn ich eine Malerei entfaltet habe, welche die prozessuale Selbstüberschreitung, darin auch vielleicht das Unsagbare einschließt, so ist doch ein konzeptuelles Fundament, ein bewusstes Mindset, das auf gedanklichem Verstehen und rational bewusster Weiterentwicklung beruht, durch meinen ersten Lehrer Gerhard Merz geprägt. Meine Auseinandersetzung mit dem Informel, dem Abstrakten Expressionismus, die Möglichkeit, auf historisch erarbeitete Vorbedingungen von Malerei bewusst zuzugreifen, diese zu reflektieren und zu aktualisieren ist Ausdruck dieses konzeptuellen Freiheitsdenkens im Zugriff auf alles schon Bestehende. Die Studienjahre bei Helmut Federle waren dann wohl die intensivsten Jahre intellektueller Auseinandersetzung und Bewusstseinsschärfung für die Sensibilität des Ausdrucksmittels Farbe. Mein Sinn für den mentalen Abdruck, den die malerische Spur bedeutet, die Sensibilisierung für Setzungen, das sehende Verstehen und Lesen von bildnerischen Entscheidungen wurden bei Federle in einer faszinierenden Tiefe geradezu trainiert. Zu meinem letzten Lehrer Herbert Brandl, dessen Meisterschüler ich wurde, hatte ich eine kollegial freundschaftliche Bindung. Herbert begegnete uns Studierenden mit Vorsicht, Respekt und auf kollegialer Ebene zwischen dem sehr erfahrenen und dem noch jungen, unerfahrenen Maler. Die sezierende Urteilsschärfe des Gerhard Merz oder Helmut Federle wich einer Zurückhaltung, die einen stärker in die Zweifel der eigenen Innerlichkeit entließ und darauf zurückwarf, was Malerei, was Kunst ist: nämlich letzten Endes eine Behauptung, die ich durchsetzen und die ihre Beweisführung in Werk und in der Zeit antreten muss.

Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken? Was ist Dein Antrieb als Künstler?

Ich habe kein wirkliches Anliegen, ich möchte auch überhaupt nichts ausdrücken. Ich habe ein zu großes Misstrauen gegenüber allem, was mir etwas glaubhaft erzählen, erklären möchte; und zwar nicht, weil ich das Subjektive ablehne oder verurteile, ich anerkenne das Subjektive aber nur als das was es ist, nämlich Selbstverweis des Subjektes auf seinen eigenen Subjektcharakter, der mich interessiert in seiner Konstitution – auch im Verhältnis zum Außen. Der Zweifel an jeder Finalität ist mir künstlerischer Antrieb zur fortwährenden Selbsterprobung.

Denkst Du die Kunst vom Medium und Material her oder vom Thema?

Das denkende Fortentwickeln meiner Malerei und die vertiefende Materialerfahrung im Prozess sind zwei Facetten, die in meiner Arbeit eine Synthese eingehen. Dies bedeutet Kalkül und auch Zufall zusammenzubringen, reflektierendes Zurücktreten zu ermöglichen und Spontaneität zuzulassen.

Gibt es etwas, das Kunst nicht darf?

Die Kunst ist zu vielfältig, um darauf pauschal zu urteilen. Diese Frage muss jeder Künstler sich in seinem individuellen Arbeitsbereich im Zweifel stellen, und die Gesellschaft muss bei vermeintlichen Grenzüberschreitungen diese Frage im Einzelfall austragen. Kunst kann durchaus subversive Qualitäten entwickeln.

 

Installationsansichten der Ausstellung Jan Holthoff, Deconstructed Landscapes, Galerie Ruimte P60, Assen, Niederlande, 2022

 

Welchen Regeln folgt Dein Stil?

Ich habe keinen Stil, ich mag auch das Wort Stil nicht. Das Wort Stil hat für den Künstler keine Bedeutung: er hat einen Arbeitsbereich, einen Raum der Untersuchung sich eröffnet. Das Wort Stil bezieht sich auf eine zu oberflächliche, vom Wesentlichen ablenkende Bezugnahme auf formalästhetische Wiedererkennbarkeit, ein zu kurz gegriffenes Aha-Erlebnis. Ich denke, dass das Wort Stil ohnehin nur eine rückblickende Bedeutung haben kann, das Gewesene im Rückblick beurteilt. Dieser Rückbezug ist meines Erachtens dem Begriff Stil schon wortimmanent. Der Künstler richtet aber seinen Blick nach vorn, seine Ausrichtung bezogen auf seinen Werkprozess ist also schon in der Blickrichtung eine andere. Kunstwerke entfalten heute auch eine zu große Komplexität und lassen sich in ihrer Diversität nicht mehr zusammenfassen in „Stilrichtungen“, die ja seit dem Ende der Ismen eigentlich in ihrer begrifflichen Legitimation untergegangen sind.

Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?

Acrylfarbe, Leinwand, Papier, Pinsel.

Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?

Ich male Bilder.

Kaufst Du Kunst?

Ja, ich sammele auch Kunst. Ich habe Papierarbeiten von Tapies, Kricke, Götz, Piene, und ich tausche gelegentlich mit Freunden Arbeiten.

Welche Museen und welche Galerien beeindrucken Dich?

Das Met ist vielleicht das beeindruckendste Museum, das ich kenne, ein zentrales Gehirn unserer westlichen Kultur. Das Guggenheim in NY bin ich immer gerne von oben heruntergegangen. Man kommt in dieser Spiralbewegung in eine meditative Verfassung. Basquiat bei Gagosian war großartig und museal, und das Kunsthaus Bregenz von Zumthor mag ich sehr, vor allem die dortige Ausstellung mit Arbeiten von Helmut Federle brachte Architektur und Kunst auf großartige Weise zusammen.

Ein Künstler, den Du bewunderst oder der Dich beeindruckt?

Christopher Wool

Welche Ausstellung hast Du zuletzt besucht und welche Ausstellung muss man unbedingt sehen?

Ich war zuletzt auf der Museumsinsel Hombroich, die lohnt immer einen Besuch.

Eine typische Angewohnheit von Dir?

Keine Fragen beantworten, bevor ich eine Tasse Kaffee getrunken habe.

Kannst Du uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?

Kaffee, Sport, veganes Frühstück, dann entweder am PC abarbeiten, was ansteht oder Atelier.

 
 

Wie sind Deine Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern und Akademie-Absolventen?

Kunst fängt mit der eigenen Arbeit an und nicht mit dem Markt.

Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt? Und: hat Corona die Kunst, die Künstler, die Galerien, die Institutionen und den Kunstmarkt verändert?

Corona bedeutete eine fast zweijährige Erschütterung, die die gesamte Gesellschaft und unsere Wirtschaft hart getroffen hat, das gesamte System Kunst war genauso betroffen mit wirtschaftlichen Engpässen für alle Beteiligten. Ich denke, dass gesteigerte digitale Präsenz und neu ausgerufene Megatrends wie etwa der Handel mit Rechten an virtuellen NFTs dieser Zeit geschuldet waren. Es kehrt Normalität zurück, und alle machen wieder weiter. Natürlich gibt es Künstler, die sich mit dem digitalen Zeitalter auseinandersetzen, virtuell arbeiten, das ist gut so, das gab es aber auch schon vor Corona. Die Digitalisierung hat für mich als Maler wenig Konsequenzen.

Was zeichnet die Kunstszene im Rheinland für Dich aus?

Das Rheinland (und da nehme ich mal Köln und Düsseldorf zusammen) ist der traditionsreichste Kunststandort in Deutschland und heute neben Berlin und anderen internationalen Metropolen einer der wichtigsten und lebendigsten Kunststandorte mit erstklassigen Kunsthochschulen und einer erfrischend lebendigen und aktuellen Szene.

Wo sind Deine Arbeiten aktuell zu sehen und was kommt demnächst? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?

Aktuell läuft meine Einzelausstellung bei Wittenbrink in München. Nachdem ich gerade zwei Wochen Urlaub in der Schweiz gemacht habe, bin ich nun wieder im Atelier. Meine aktuellsten Arbeiten waren vor wenigen Wochen in der Galerie Ruimte P60 in den Niederlanden unter dem Titel „Deconstructed Landscapes“ zu sehen. Sie werden der Ausgang sein für das, was kommen wird.

Interview und Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach, Jan Holthoff (Galerie Ruimte P60)

janholthoff.de