Bastian Gehbauer – Fragmente der Wirklichkeit
Die Arbeiten von Bastian Gehbauer bewegen sich zwischen Fotografie, Installation, Archivarbeit und der Nutzung von KI. Sein Schaffen kreist um die Frage, wie Wirklichkeit durch das Medium der Fotografie nicht nur abgebildet, sondern auch transformiert wird. Gehbauer interessiert sich für das Spannungsverhältnis zwischen Abstraktion und Konkretion – ein zentrales Motiv, das sich in vielen seiner Werke wiederfindet.
In der Serie Corpus (2023), entstanden während eines Stipendiums bei der Deutschen Fotothek Dresden, untersucht Gehbauer Archivmaterialien aus der DDR-Möbelindustrie. Die Fotografien des Auftragsfotografen Friedrich Weimer zeigen Möbelstücke in nüchterner, fast forensischer Weise. Gehbauer lenkt den Blick auf jene Aufnahmen, die sich dem Verwertungszweck entziehen. Diese sachlichen Bilder, die keine narrativen oder emotionalen Kontexte bieten, erscheinen gerade durch ihre Reduktion abstrakt und werfen Fragen nach der Lesbarkeit fotografischer Repräsentationen auf – insbesondere, wenn sie durch KI-gestützte Analyseverfahren neu interpretiert werden.
Die Auseinandersetzung mit Geschichte und Erinnerung zieht sich als roter Faden durch Gehbauers Werk. In Phantasma (2022) greift er auf Archivfotografien des Architekten Harry Rosenthal zurück, die ein heute so nicht mehr existierendes Atelierhaus dokumentieren. Die Beschädigungen der Negative durch unsachgemäße Lagerung und Pilzbefall verstärken die Fragilität der Erinnerung. Indem Gehbauer Ausschnitte wählt und neue Bildkompositionen schafft, öffnet er einen imaginierten Zugang zu verlorenen Orten und Zeiten.
Ein weiteres Beispiel für Gehbauers konzeptuelle Herangehensweise ist die Installation Boulevard | Pinguin Café (2023). Aus Fragmenten eines abgerissenen DDR-Cafés schafft er eine Assemblage, die sich zwischen Dokumentation und Skulptur bewegt. Hier verbindet sich seine Beschäftigung mit Architektur und Materialität mit der Frage nach der Flüchtigkeit von Orten und ihrer historischen Aufladung.
Gehbauers Arbeiten fordern die Betrachter heraus, sich auf die Ambivalenzen von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, Dokumentation und Fiktion einzulassen. Seine Werke sind nicht nur mediale Reflexionen, sondern auch spekulative Räume, in denen sich Erinnerung, Geschichte und Vorstellungskraft miteinander verweben.
Bastian Gehbauer (*1985, lebt in Berlin) studierte an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin. 2013 machte er seinen Abschluss bei Sibylle Fendt. 2017 absolvierte er ein Gaststudium bei Ricarda Roggan an der Akademie der Künste in Stuttgart und legte 2019 sein Diplom in Fotografie bei Heidi Specker an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig ab. Gehbauers Fotografien wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, u. a. im Museum Folkwang Essen (2017), im Berghain (2021) und der Galerie Haunt Berlin (2022). 2020 wurde Gehbauer für den Marta Hoepffner-Preis nominiert, 2023 erhielt er ein Grant der Pollock Krasner Foundation, New York.
Gehbauers aktuelle Ausstellung Metamorphosis kann noch bis zum 15.03.2025 im kjubh Kunstverein in Köln besucht werden.